zurück
Fakten statt Emotionen 01.11.2021

Die Tugenden des Ingenieurs

Faktenorientiert und geradlinig arbeitet Dr. Ekkehard Pott seit drei Jahrzehnten an Verbrennungsmotoren mit immer geringeren Emissionen.

Text: Johannes Winterhagen | Fotografie: Dirk Lässig

Fakten statt Emotionen // Für einen geradlinigen Ingenieur wie Ekkehard Pott ist das eine Tugend. Kein Zufall also, dass er dazu beiträgt, alle Benzin- und Dieselantriebe von  Volkswagen auf die kommende Euro 7-Norm vorzubereiten. Nüchtern schaut er auf Grenzwerte und Technologien, das eine muss zum anderen passen, da gibt es keine Diskussion. Im persönlichen Gespräch wirkt Pott immer konzentriert und bleibt hartnäckig bei der Sache. Über seine eigene Person spricht er wenig, viel hingegen über Baureihen, Technik und physikalische Zusammenhänge.

Geradlinigkeit zeichnet auch Potts Lebenslauf aus. Schon in der Oberstufe weiß er, dass er den Ingenieurberuf ergreifen will. Dass er sich dann für Maschinenbau entscheidet, liegt am technischen Zustand der Bundeswehr-Lkw, die er während des Wehrdienstes immer wieder warten darf. Zu früh festlegen will er sich nicht und studiert Kraftfahrwesen. »Da habe ich einen 360-Grad-Blick auf die gesamte Fahrzeugtechnik mitnehmen können«, sagt Pott heute. Im Rahmen einer Studienarbeit kommt er erstmals mit Volkswagen in Berührung und optimiert eine Vorderwagenstruktur auf Unfallsicherheit hin.

Uns war damals schon klar, dass wir uns dem Problem der NOx-Emissionen stellen müssen.

»Die haben mich als Neuling sofort ernst genommen «, erinnert er sich. Für Pott steht fest: Das wird mein Arbeitgeber. Nach dem Diplom startet er 1991 tatsächlich in Wolfsburg als technischer Volontär und absolviert, was man heute ein Trainee-Programm nennen würde.

In den folgenden 30 Jahren, in denen er seinem Arbeitgeber nie untreu wird, fokussiert sich Pott rasch auf den Verbrennungsmotor. Die Abgasreinigung spielt dabei schon zu Anfang eine wichtige Rolle, denn seine erste Aufgabe in der Aggregate-Forschung besteht darin, Emissionsminderungskonzepte für Magermotoren zu entwickeln. »Uns war damals schon klar, dass wir uns dem Problem der NOx-Emissionen stellen müssen.« Berufsbegleitend promoviert er innerhalb von vier Jahren an der Technischen Universität Berlin. In seiner Arbeit entwickelt er ein fahrzeugbezogenes Simulationsprogramm, mit dem nicht nur Schadstoffemissionen, sondern auch der Verbrauch vorhergesagt werden können. Erstmals sind die wechselseitigen Abhängigkeiten darstellbar. Ab 1997 gehört die Entwicklung eines NOx-Speicherkatalysators für magerlaufende Ottomotoren mit Direkteinspritzung zu seinen Kernaufgaben, ein Projekt, mit dem er schließlich in die Vorentwicklung der Ottomotoren wechselt. 2000 geht die Technik mit dem Lupo erstmals in Serienproduktion. Fragt man Pott, ob er darauf stolz gewesen sei, antwortet er wieder nüchtern: »Es musste so funktionieren, technisch gab es damals keinen Plan B.«

2002 wird Pott gebeten, die Vorentwicklung für Ottomotoren zu leiten. »Das fühlte sich an wie ein Sechser im Lotto«, erinnert sich Pott. Eine große erausforderung ist die neue Aufgabe dennoch. Pott führt plötzlich 60 statt fünf Mitarbeiter, muss gleichwohl fachlich tief im Detail bleiben, weil Volkswagen gerade die erste Generation der Benzindirekteinspritzer mit Turboaufladung entwickelt, die später als TSI-Motoren vermarktet werden. »Mit dieser Technik konnten wir nicht nur die Verbrauchsziele erreichen, die wir uns gesetzt hatten, sondern dem Autofahrer durch den Zugewinn an Drehmoment auch deutlich mehr Fahrspaß bieten.« Am Erfolg hat auch die FVV ihren Anteil: »In vielen Vorhaben wurden sehr grundlegende Ergebnisse zur Direkteinspritzung bei Ottomotoren erzielt.« Zudem kann Pott einige Mitarbeiter gewinnen, die durch Diplom oder Promotion innerhalb eines FVV-Vorhabens bereits einschlägige Kenntnisse mitbringen.

Nachdem Pott durch seine Arbeit dazu beigetragen hat, dass der Rückstand des Benziners auf den Diesel deutlich schrumpft, wechselt er 2007 die Seite und leitet fortan die Serienentwicklung großer Dieselmotoren – wobei mit »groß« der Fünfzylindermotor und dessen Ableitung als V10-Motor gemeint sind. Haupteinsatzgebiet des Fünfzylinders sind leichte Nutzfahrzeuge, vor allem die Transporter-Baureihe. Die Umstellung auf Vierventil- und Common-Rail-Technik steht an, gleichzeitig will der Konzern die Anzahl der Motorvarianten verringern. So gilt es, den Vierzylinder-Dieselmotor für den Transporter fit zu machen, wobei Belastungsanforderungen und Bauraum eine Nutzfahrzeug-spezifische Ausführung erfordern. 2009 ist es soweit, viele Bulli-Fahrer trauern um den Fünfzylinder. Pott erwidert: »Man darf sich bei solchen Entscheidungen nicht von Emotionen leiten lassen. Der Vierzylinder hat sich als kostengünstiger, sparsamer und zuverlässiger erwiesen.«

Den Transporter, Baujahr 1979, hat er über einen Händler in Arizona gefunden und restaurieren lassen

2017 laufen in der Aggregateentwicklung von Volkswagen nach dem Dieselskandal die Aufräumarbeiten. Pott, der Geradlinige, entscheidet sich gegen eine erweiterte  Führungsaufgabe, will wieder stärker fachlich arbeiten. Das passt zum Anspruch des Konzerns, der mit der Vorbereitung seiner Aggregate auf die Euro-7-Abgasnorm  hundertprozentige Regelkonformität nachweisen muss. »Dieser Aufgabe stelle ich mich gern«, sagt Pott. Gleichzeitig engagiert er sich wieder stärker bei der FVV, die er 1995 bereits als junger Ingenieur kennengelernt hatte. 2020 übernimmt er den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat der Forschungsvereinigung, in einer Phase der starken Transformation hin zu klimaneutralen Antrieben. »Die Impulse, die vorwettbewerbliche Gemeinschaftsforschung in dieser Phase leisten kann, sind wichtiger denn je zuvor«, zeigt sich Pott überzeugt.

So nüchtern Pott als Ingenieur argumentiert: Als er für den Fotografen seinen eigenen rot-weißen T2 öffnet, strahlt er pure Lebensfreude aus. Den Transporter, Baujahr 1979, hat er über einen Händler in Arizona gefunden und restaurieren lassen. Persönlich hat er sich dennoch um jedes Detail gekümmert. Die Schalter zum Beispiel sind Originalteile aus anderen Fahrzeugen. Gefahren wird der T2 nur bei gutem Wetter. Ziehen doch Wolken auf, stehen noch weitere Oldtimer in seiner Garage. Zu Lasten seiner Ehe geht das Hobby nicht: Seine Frau teilt die Leidenschaft zu alten Autos und fährt mit ihm immer wieder auch Rallyes.

Dr.-Ing. Ekkehard Pott, Jahrgang 1964, studierte Maschinenbau mit Fachrichtung Kraftfahrwesen an der RWTH Aachen. Seit seinem Berufseinstieg 1991 arbeitet er in verschiedenen Positionen in der Aggregateforschung und -entwicklung von Volkswagen. Derzeit verantwortet er die Baukastenentwicklung Berechnung, Methoden und Abgasnachbehandlung.

Die FVV hat Dr. Pott bereits 1995 als junger Ingenieur kennenlernt. 2020 übernimmt er den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat der Forschungsvereinigung - in einer Phase der starken Transformation hin zu klimaneutralen Antrieben.

Weiterführende Informationen

WEITERFÜHRENDE LINKS

DOWNLOADS