Ein Wettlauf gegen die Zeit
Ob sich synthetische Kraftstoffe auf Basis von Methylether als Dieselersatz eignen, wurde in einem von der FVV koordinierten Verbundforschungsvorhaben untersucht. Das Forschungsvorhaben zu erneuerbaren sauerstoffhaltigen Kraftstoffen wurde im Rahmen des BMWi-Fachprogramms „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ mit 3,5 Millionen Euro gefördert. Das Ergebnis: Wird das richtige Molekül ausgesucht, sinken CO2-Emissionen und Schadstoffe deutlich. Ein Gespräch mit Dr. Werner Willems, Spezialist im Ford Research and Innovation Center Aachen.
Warum beschäftigen Sie sich als Motorenentwickler überhaupt mit der Forschung an Kraftstoffen?
Als wir 2014 mit den Vorarbeiten zu dem XME-Projekt starteten, entwickelte ich noch Brennverfahren für Dieselmotoren. Zielsetzung war dabei vor allem, den Selbstzünder noch sauberer und effizienter zu machen. Nachdem wir über die Verbrennung und die Abgasnachbehandlung viel erreicht hatten, standen die Fragen im Raum: Wie lassen sich die Schadstoffe noch signifikanter reduzieren? Welche Rolle spielt dabei der Kraftstoff?
Das heißt, die Möglichkeit, Kraftstoffe synthetisch und damit nahezu CO2-neutral herzustellen, stand zu Beginn gar nicht im Vordergrund?
Uns war von Anfang an bewusst: Bei der Verbrennung von DME – dem einfachstem Methylether – entstehen bis zu zehn Prozent weniger CO2 als beim Einsatz fossiler Kraftstoffe. Unsere Anforderung lautete also, sowohl die Schadstoff- als auch die CO2-Emissionen zu senken.
Sie haben in dem FVV-Projekt zwei verschiedene Methylether untersucht, neben DME auch das Oxymethylenether OME-1. Nach allem was Sie nun wissen: Für welchen Kraftstoff würden Sie sich entscheiden?
Für DME, und zwar aus verschiedenen Gründen: Erstens produzieren OME-Kraftstoffe mit zunehmender Kettenlänge des Moleküls auch mehr CO2 während der Verbrennung. Das würde zwar bei einer synthetischen Herstellung mit einem geschlossenen CO2-Kreislauf keine Rolle spielen, aber auf absehbare Zeit muss die Automobilindustrie mit einer CO2-Gesetzgebung zurechtkommen, die sich ausschließlich auf die Fahrzeugemissionen bezieht. Zweitens wird DME bereits heute in großen Mengen produziert, etwa für die Kosmetikindustrie und als Bestandteil von Kältemitteln. Das hat auch den Vorteil, dass es bereits internationale Normen für diesen Stoff gibt. Das ist wichtig, weil wir uns bei den klimafreundlichen Antrieben in einem Wettlauf gegen die Zeit befinden.
Sowohl für DME als auch für OME gilt aber, dass man sie beide nicht einfach in den Tank eines normalen Dieselfahrzeugs kippen kann. Was sind die größten Herausforderungen für den Motorenentwickler?
Zunächst gilt es natürlich, die höhere Aggressivität gegenüber Kunststoffen, insbesondere gegenüber Elastomeren, zu berücksichtigen. Man muss also – ähnlich wie beim Einsatz von Ethanol – alle kraftstoffführenden Teile ertüchtigen. Wenn man die richtigen Materialien aussucht, ist das aber eigentlich kein Problem. Eine größere Herausforderung stellen die Schmiereigenschaften dar: Bei DME und dem von uns untersuchten OME-1 handelt es sich um relativ kurzkettige Moleküle mit schlechten Schmiereigenschaften. Das hat unter anderem Einfluss auf das Einspritzsystem. Im Projekt haben wir ein ölgeschmiertes System von Denso eingesetzt – das funktionierte mit DME gut.
Vor allem aber brauchen Sie wegen des geringeren Heizwertes der Kraftstoffe einen höheren Durchsatz …
Das ist richtig. Wenn man die gleiche Leistung wie mit einem Dieselmotor erzielen will, muss man unter anderem die Einspritzdüsen anpassen. Außerdem muss der Rail-Druck gesenkt werden – bei einem DME-System gehen maximal 1.000 bar. Das ist aber kein Problem, wir bekommen die gleiche Leistung dargestellt wie mit einem 2.000-bar-Dieselsystem.
Sie haben Versuche an Einspritzprüfständen, Einzylindermotoren, Vollmotoren und im Fahrzeug durchgeführt – mit dem erhofften Ergebnis?
Wir konnten die erhofften Emissionsvorteile bestätigen, sogar bei Volllast. Ein Grund dafür liegt in der Gemischbildung: Bei DME ist eine klare Separation zwischen Einspritzung und Verbrennung zu beobachten, so dass es nicht zu lokal fetten Zonen kommt. Daneben spielt natürlich der höhere Sauerstoffgehalt im Kraftstoff eine Rolle, er führt zu einer vollständigeren Verbrennung.
Anders als in vielen anderen FVV-Projekten haben Sie mit dem DME auch Fahrzeugversuche durchgeführt. Was war dabei Ihre Motivation?
Wir wollten sehen, wie sich ein mit DME betriebener Motor in einem Pkw applizieren lässt. Meines Wissens wurde das zuvor nur mit einem Lkw-Motor gemacht.
Und? Wie fährt sich der von Ihnen umgebaute Ford Mondeo?
Vom ganzen Fahrerlebnis unterscheidet sich unser Versuchsfahrzeug nicht von einem normalen Dieselfahrzeug, es hört sich auch genauso an. Den einzigen Unterschied, den Sie als Fahrer feststellen würden, betrifft das Tanksystem, das auf einem Nachrüst-LPG-System beruht.
Welche Reichweite schafft ein Fahrzeug denn mit diesem Tank?
Der zusätzlich eingebaute Tank hat ein Volumen von circa 60 Liter, das würde für 500 bis 600 Kilometer reichen.
Sie haben in den experimentellen Untersuchungen auch Tests mit Diesel am DME-kalibrierten Motor durchgeführt. Warum das?
DME ist momentan noch an keiner öffentlich zugänglichen Tankstelle verfügbar. Auch bei einer Serieneinführung ist nicht davon auszugehen, dass das von Anfang an flächendeckend geschieht. Daher ging es uns darum, einen möglichen Notlauf mit Dieselkraftstoff zu simulieren. Eigentlich erwartet man, dass der Motor aufgrund des größeren Durchmessers der Einspritzdüsenlöcher stark rußt. Wir konnten aber durch eine angepasste Applikation die Partikelemission stark reduzieren – zumindest für einen Notlauf würde es reichen.
Einen Partikelfilter, so heißt es im Abschlussbericht, würde auch ein mit DME betriebenes Fahrzeug weiterhin benötigen.
Ja, denn die Partikelmasse liegt im DME-Betrieb zwar nahezu bei Null, doch auch wenn die Partikelanzahl besser ist als bei Dieselkraftstoff, liegt sie nicht bei Null, vor allem aufgrund des Öleintrags in die Brennkammer. Allerdings werden die Intervalle für die Regenerierung des Partikelfilters deutlich größer.
Für eine Beimischung zu normalem Dieselkraftstoff eignet sich DME als gasförmiger Kraftstoff aber nicht, oder?
Bis vor wenigen Monaten hätte ich Ihnen da recht gegeben. Aber neuere Entwicklungen zeigen, dass sich DME und Diesel eventuell doch mischen lassen – das gibt dann eine Art Sprudelwasser. Wir bereiten dazu gerade ein neues Forschungsprojekt vor. Der Vorteil eines Blends wäre nicht nur, dass man schneller in die Breite käme, sondern dass man auch die besseren Schmiereigenschaften von Diesel nutzen könnte. Eventuell könnte man dann sogar das konventionelle Diesel-Einspritzsystem nutzen und somit den Aufwand für eine Nachrüstung deutlich verringern.
Bislang wird DME für industrielle Zwecke auf fossiler Basis hergestellt. Wie sieht perspektivisch eine CO2-neutrale Herstellkette aus?
In einem europäischen Projekt wurde die DME-Herstellung aus Schwarzlauge, einem Abfallstoff aus der Papierindustrie untersucht. Das spart bis zu 96 Prozent der CO2-Emissionen in der Lebenszyklusbetrachtung. Aber für größere Mengen dürfte das nicht reichen, dafür braucht man synthetische Prozesse auf Basis von Power-to-X. Das aber spricht für DME, denn es wird aus Methanol hergestellt. Methanol wiederum lässt sich auf Basis von Sonnen- oder Windstrom in vielen Weltregionen produzieren, mit dem Schiff nach Mitteleuropa transportieren und hier weiterverarbeiten – mit Anlagentechnik, die heute bereits existiert. Damit hätten wir sofort einen synthetischen Kraftstoff in großen Mengen.
Wenn die europäische Normung von DME als Kraftstoff und alles andere optimal liefen, was wäre dann der frühestmögliche Zeitpunkt für eine Serieneinführung passender Fahrzeuge?
Neben der Normung für den Kraftstoff spielt das Typgenehmigungsverfahren für die Fahrzeuge eine wichtige Rolle. Das ist schon noch ein langer Prozess, der da bevorsteht. Und natürlich muss ausreichend Kapazität für eine nachhaltige Methanol-Produktion geschaffen werden. Aber wenn alles gut läuft, könnten in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre die ersten Serienfahrzeuge oder nachgerüstete Bestandsfahrzeuge mit DME-Kraftstoff unterwegs sein.
Wie haben Sie persönlich die gemeinsame Arbeit an dem XME-Projekt in der FVV erlebt?
In gewisser Weise hatten wir Glück, denn wir kamen mit dem richtigen Projekt zur richtigen Zeit. Dass wir so gute Ergebnisse erzielen konnten, lag aber vor allem daran, dass das Vorhaben von allen Seiten unterstützt wurde und dass alle, die daran mitgearbeitet haben, sehr motiviert waren.
Herr Dr. Willems, herzlichen Dank für das Gespräch. //
Dr.-Ing. Werner Willems studierte und promovierte an der RWTH Aachen, bevor er seinen Berufsweg bei der FEV Motorentechnik begann. 1999 wechselte Willems zu Ford, wo er unter anderem die Brennverfahrensentwicklung für die europäischen Dieselmotoren verantwortete. Seit vergangenem Jahr arbeitet der Spezialist im Ford-Forschungszentrum Aachen ausschließlich an nachhaltigen Kraftstoffen.
Welches Potenzial haben synthetische Kraftstoffe auf Basis von sauerstoffhaltigen Methylethern, um fossilen Diesel in einem selbstzündenden Brennverfahren zu ersetzen? In dem von der FVV begleiteten Forschungsvorhaben „XME-Diesel“, gefördert im Rahmen des BMWi-Fachprogramms „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“, untersuchten Forschungsstellen an der RWTH Aachen und der TU München zusammen mit Denso, Ford und IAV die Eignung von DME (Dimethylether) und OME-1 (einwertigem Oxymethylenether). Wesentliches Ziel des Projektes war es, das Brennverfahren an die physikalischen und chemischen Eigenschaften der neuen Kraftstoffe so zu adaptieren, dass die Schadstoff-Rohemissionen deutlich sinken und sich gleichzeitig der Motor-Wirkungsgrad verbessert.