Wie schnell geht nachhaltig?
Diversität ist auch in der Wissenschaft essentiell, damit wir Zukunft nicht nur offen denken, sondern auch effizient und nachhaltig ermöglichen können. Technologieverbote sind dabei kritisch zu betrachten, da sie den Wandel hin zu CO2-neutralen Antrieben eher verzögern als beschleunigen. Wie man so früh wie möglich Treibhausgasneutralität im europäischen Verkehrssektor erreichen und dabei Hochlaufpotenziale einzelner Technologiepfade berücksichtigen kann, hat eine weitere Studie der FVV zu zukünftigen Kraftstoffen analysiert.
Die europäische Automobilindustrie steht vor vielen Herausforderungen - steigende Energiepreise, Rohstoffknappheit und Unterbrechungen von Lieferketten, um nur einige zu nennen - und die Zukunft ist mehr als ungewiß. Ist es vor diesem Hintergrund klug, »alles auf eine Karte zu setzen«? Brächte eine stärkere Diversifizierung nicht Vorteile mit Blick auf die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zukünftiger Antriebstechnologien?
Diesen Fragen ging die im Oktober 2021 veröffentlichte, umfassende Studie zur ›Transformation der Mobilität im klimaneutralen und postfossilen Zeitalter‹ (FVV-Kraftstoffstudien - Teil IV) nach. Die Ergebnisse der Ergänzungsstudie (IVb) wurden nun Anfang Oktober in Würzburg auf der Herbsttagung der FVV vorgestellt.
Dr. Ulrich Kramer stellte am 6. Oktober, auf der FVV-Herbsttagung 2022 in Würzburg, die Ergebnisse der neuen Studie vor.
Sie enthält vier wichtige Merkmale:
- Stärkere Fokussierung auf den Straßensektor
- Hinzunahme neuer Kombinationen aus Antrieb und treibhausgasneutralen Energieträgern (Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge und Methanol-to-Gasoline-Drop-in-Kraftstoff)
- Berücksichtigung des technischen Ausbaupotenzials defossiler Transformationspfade für den europäischen Straßenverkehr (EU27+UK)
- Betrachtung eines Technologiemixes, der den Weg zur Treubhausgasneutralität bestmöglich unterstützt.
Insbesondere werden in dieser Studie die erreichbaren ›Ramp-ups‹ neuer Fahrzeugtechnologien, die Stromerzeugungs- und -verteilungsinfrastruktur sowie die Rohstoffversorgung auf quantitativer Basis berücksichtigt. Das Hochlaufpotenzial defossiler Transformationspfade ist von großer Bedeutung, um das verbleibende theoretische THG-Budget einzuhalten, das für Europa gemäß den Pariser Klimazielen angenommen wird.
Der neue modellbasierte Optimierungs- und Analyserahmen, der in dieser Studie verwendet wird, befasst sich ausdrücklich mit der Frage, wie die kumulierten THG-Emissionen im Straßensektor der EU27+UK minimiert werden könnten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Mix aus kohlenstoffneutralen Transformationspfaden den Übergang zur Treibhausgasneutralität im Vergleich zu Szenarien mit nur einer Technologieoption deutlich beschleunigen kann. Ein Technologiemix reduziert somit die kumulierten Treibhausgasemissionen im Laufe der Zeit erheblich.
Im Rahmen dieser Studie führt ein Szenario, das sich auf batterieelektrische Antriebe BEV ("Battery Electric Vehicles" mit heimischer Energieversorgung) als einzige verfügbare THG-neutrale Antriebstechnologie konzentriert, bis 2050 zu 39 % höheren kumulierten THG-Emissionen im Vergleich zu einem Mix aus THG-neutralen Antriebstechnologien. Dies führt dazu, dass der BEV-Transformationspfad mit nur einer Technologie bis 2050 nur eine Defossilisierungsrate von 76 % des Fahrzeugbestands in der EU27+UK erreicht, während das THG-optimierte gemischte Technologieszenario bereits im Jahr 2039 Kohlenstoffneutralität (100% Defossilisierungsrate) erzielt.
Die Ergebnisse der Ergänzungsstudie liegen in zwei Versionen vor: der kompletten Langfassung der Studie und einem Kurzbericht. Beide Dokumente können Sie am Seitenende herunterladen - zusammen mit einer Powerpoint-Präsentation und unserer neuen Transferpublikation zur FVV-Herbsttagung 2022.
Dr.-Ing. Ulrich Kramer (Ford-Werke GmbH)
Dr. rer. pol. David Bothe (Frontier Economics Ltd.)
Dr. Christoph Gatzen (Frontier Economics Ltd.)
André Pfannenschmidt (Frontier Economics Ltd.)
Carolin Baum (Frontier Economics Ltd.)
Fabian Schrogl (Frontier Economics Ltd.)
Osama Mahmood (Frontier Economics Ltd.)
Weiterführende Informationen
DIE ERGEBNISSE KURZ ERKLÄRT
- FVV Kraftstoffstudie IVb | Langfassung: ›Transformation der Mobilität im klimaneutralen und postfossilen Zeitalter‹ - Ergänzungsstudie (H1313 | 2022 | EN)
- FVV-Kraftstoffstudie IVb | Kurzbericht: ›Transformation der Mobilität im klimaneutralen und postfossilen Zeitalter‹ - Ergänzungsstudie (R603 | 2022 | EN)
- Tagungspräsentation (06.10.2022 | EN)
WEITERFÜHRENDE LINKS
- Sechs Thesen zur Klimaneutralität des europäischen Verkehrssektors
- Nachhaltigkeit ist mehr als Klimaschutz
- Bilanz gezogen | FVV-Metastudie zur Lebenszyklusanalyse alternativer Antriebe