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Wasserstoff ein Schlüsselelement für die Mobilität 27.09.2022

Die Zeit ist reif

Thomas Korn arbeitet schon lange am Wasserstoffmotor. Als Gründer des Unternehmens Keyou sieht er nun den Durchbruch am Horizont.

Text: Matthias Heerwagen | Fotografie: Dirk Lässig

Sonne und Wasser überall

5.000-mal mehr Energie strahlt die Sonne auf die Erde ein, als die Menschheit nutzt. Und die Erdoberfläche ist zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt. Die Lösung vieler Energie- und Umweltprobleme liegt für Thomas Korn auf dem Tisch. Ein Schlüsselerlebnis hat er, als er nach einer Lehre zum Informationselektroniker an der Fachhochschule München Physikalische Technik studiert. Dort untersucht er, wie sich verschmutztes Wasser wieder reinigen lässt. »Schon damals habe ich gedacht, wir arbeiten am falschen Ende. Wir müssen da ansetzen, wo die Verschmutzungen entstehen«, sagt Korn. Und so ist Wasserstoff für ihn der ultimative Kraftstoff für Verbrennungskraftmaschinen, weil er kein Kohlenstoff enthält und CO2-frei verbrennt.

Das energiereiche Gas zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere. Während des Studiums absolviert Korn ein Praktikum bei dem Energieversorger Bayernwerk, der gemeinsam mit BMW und dem Industriegasproduzenten Linde eine Wasserstoffversuchsanlage betreibt. Im Laufe des Praktikums bietet ihm der leitende Ingenieur an, für die BMW-Forschung zu arbeiten – der Schritt in die Automobilindustrie ist getan. Seine Diplomarbeit schreibt er über die Ferndiagnose eines Wasserstofffahrzeugs. Als von Energiewende noch gar keine Rede war, ist Korn bereits davon überzeugt, dass Wasserstoff ein Schlüsselelement für die Mobilität der Zukunft sein wird. Er entwickelt maßgeblich einen BMW 7er mit Wasserstoffmotor mit, bevor er 2005 für die Münchner in die USA geht, um in Kalifornien das Wasserstoff- Fahrzeugprogramm aufzubauen. Doch gesetzliche Vorgaben vereiteln den Erfolg, einige Jahre später zieht sich BMW komplett aus dem Wasserstoff- Verbrennungsmotor zurück. Die Zeit war noch nicht reif. »Mir war aber klar, was für ein Potenzial in Wasserstoff steckt und dass ich an dem Thema dranbleiben will. Also habe ich BMW verlassen und bei Alset Erfahrung mit dem Aufbau eines Unternehmens gesammelt«, berichtet Korn. Für Alset, ein Start-up, das aus der Technischen Universität Graz heraus entsteht, entwickelt er Zweistoffmotoren und rüstet einen Aston Martin auf Wasserstoffverbrennung um. Das Fahrzeug absolviert erfolgreich das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Die Technik ist solide, die Finanzierung fragil. Alset meldet 2014 Insolvenz an.

Als von Energiewende noch gar keine Rede war, ist Korn bereits davon überzeugt, dass Wasserstoff ein Schlüsselelement für die Mobilität der Zukunft sein wird.

Ein Jahr später gründet Korn das Unternehmen Keyou, um seine Vision von emissionsfreier Mobilität zu verwirklichen. Im Nutzfahrzeug, wo es auf Robustheit und Kosteneffizienz ankommt, sei der Wasserstoffverbrennungsmotor der Brennstoffzelle überlegen, dem Elektroantrieb sowieso. Korn knüpft Kontakte und überzeugt Investoren von der Technik – keine einfache Aufgabe, weil batterieelektrische Antriebe zunächst als einzige Zukunftstechnik gelten. Der Motorenhersteller Deutz stellt einen Motor für Prüfstandläufe bereit und die ersten Ergebnisse sind überraschend gut. Bald zeigt sich auch: Ein von ihm mitentwickelter Wasserstoffmotor auf Basis des Deutz-Aggregats hält mit einem Wirkungsgrad von 44,5 Prozent den Weltrekord als effizientester Verbrennungsmotor im Nutzfahrzeugbereich. »Aber da kommt noch einiges!«, sagt Korn mit einem verschmitzten Lächeln, 50 Prozent seien machbar. Seine Ingenieure entwickeln Komponenten und Brennverfahren. Die Euro-6-Abgasnorm erreichen sie ohne teure Abgasnachbehandlungssysteme.

Das Interesse an alternativen Kraftstoff nimmt zu

Die Zeit ist reif. Nach und nach nimmt das Interesse an dem alternativen Kraftstoff zu. Die CO2-Gesetzgebung sowie die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung spielen Keyou in die Karten. Das Unternehmen sammelt mehrere Millionen Euro bei Investoren ein. Mittlerweile arbeiten 70 Angestellte für Korn. Wann und wo sie das tun, ist dem Chef nicht wichtig, solange die vereinbarten Meilensteine erreicht werden und die Qualität stimmt. Flache Hierarchien, Agilität und kurze Entscheidungswege zeichnen Start-ups aus. Die Tür des CEOs steht immer offen.

In Bad Dürkheim betreibt Keyou mit dem Partner KST Motorenversuch mehrere Motorenprüfstände, doch Konstruktion und Simulation sind in München angesiedelt. Anfang 2020 tritt Keyou der FVV bei: »Die FVV bietet ein sehr interessantes Netzwerk für unsere Entwickler«, sagt Korn. »Es gibt einige Themen, zu denen sich meine Kollegen mit anderen austauschen. Und wir können sicher auch einiges beitragen. « Die größere Herausforderung für den Durchbruch des Wasserstoff- Verbrennungsmotors liegt in der teuren Speichertechnik. Doch Korn hat ein weiteres Unternehmen gegründet, das an neuartigen Speichern arbeitet, mit denen sich die Kosten deutlich reduzieren lassen. Das Konzept setzt auf Wechselstationen und Tauschtanks, die zentral befüllt werden, damit in einer Region nicht viele teure Wasserstofftankstellen stehen, sondern nur eine, die aber voll ausgelastet ist und sich schnell amortisiert. Doch dafür ist die Zeit noch nicht reif.

Im Sommer 2022 sind die ersten beiden Prototypenfahrzeuge mit Keyou- Motoren im Einsatz, ein 18-Tonner und ein Stadtbus. Im kommenden Jahr sollen acht Fahrzeuge bei Kunden betrieben werden, ein Jahr später bereits 48. Den regulären Marktstart peilt Keyou für 2025 an. Zwar gibt es noch keinen Markt, keine Infrastruktur, alles muss erst aufgebaut werden. Doch Korn ist sicher: »Für Speditionen THOMAS KORN, Jahrgang 1968, studierte Physikalische Technik an der Fachhochschule in München. Nach vielen Jahren bei BMW und einer Zwischenstation bei Alset gründete Korn 2015 gemeinsam mit den Partnern Alvaro Sousa und Markus Schneider das Unternehmen Keyou. Ziel ist die Entwicklung eines emissionsfreien und kosteneffizienten Wasserstoffantriebs für Nutzfahrzeuge. 28 Menschen und Verkehrsbetriebe wird das schnell ein Businesscase, weil wir wettbewerbsfähig zum Dieselmotor sind. Aufgrund der Mautbefreiung werden die Umrüstkosten überkompensiert.«

Als erstes Unternehmen präsentiert KEYOU zeitgleich einen 12m-Stadtbus und einen 18t-Lkw mit Wasserstoffmotor. Seit Sommer 2022 sind die beiden Prototypenfahrzeuge im Testeinsatz. Der Marktstart ist für 2025 geplant.

Der Ingenieur ist angetreten mit der Überzeugung, dass man auch als kleines Unternehmen etwas bewirken und einen Beitrag zur Energiewende leisten kann. »Jede Generation kann die Welt ein Stück besser machen. Wir machen es mit Wasserstoff«, sagt Thomas Korn. Der 54-Jährige arbeitet viel, um seine Vision umzusetzen, auch für die Zukunft seiner beiden Kinder. Doch hin und wieder gönnt er sich eine Auszeit und Ruhe. An kleinen Bergbächen schwingt er die Fliegenrute, konzentriert sich ganz auf den Köder. Ohne Stress. Ohne Straßenlärm. Nur im Hier und Jetzt.

Thomas Korn, Jahrgang 1968, studierte Physikalische Technik an der Fachhochschule in München.

Nach vielen Jahren bei BMW und einer Zwischenstation bei Alset gründete Korn 2015 gemeinsam mit den Partnern Alvaro Sousa und Markus Schneider das Unternehmen Keyou. Ziel ist die Entwicklung eines emissionsfreien und kosteneffizienten Wasserstoffantriebs für Nutzfahrzeuge.