zurück
Wasserstoffmotoren haben Zukunft 04.12.2023

Karrierepotenzial H2

Wasserstoffmotoren ermöglichen klimaneutrale Mobilität oder dienen als Baustein einer sicheren Energieversorgung. Aktuelle Forschungsvorhaben der FVV zeigen weiteres Potenzial.

Vorbildliche Eigenschaften // Wasserstoff ist aus Sicht vieler Thermodynamiker der ideale Energieträger. Der gravimetrische Heizwert ist rund dreimal höher als der von Benzin. Wasserstoff ist zündwillig und enthält keinen Kohlenstoff, der Kohlendioxid bilden oder zu Verbrennungsrückständen wie Partikeln führen kann. Und vor allem bietet er als Speichermedium für Sonnen- und Windstrom die Möglichkeit, Energieerzeugung und -nachfrage räumlich und zeitlich zu entkoppeln. Kraftmaschinen, die direkt mit Wasserstoff betrieben werden, können den anderorts geernteten und chemisch gespeicherten Grünstrom nutzen und ermöglichen so klimaneutrale Mobilität oder sind ein Baustein einer sicheren Energieversorgung. Insbesondere schwere Nutzfahrzeuge im Langstreckeneinsatz oder mobile Maschinen, die rund um die Uhr im Einsatz sind, können mit Wasserstoffmotoren rasch klimaneutral werden. Doch auch wenn der Musterschüler bereits erste Erfolge feiert: Um den Zenit seiner Karriere zu erreichen, muss der Wasserstoffmotor noch die eine oder andere Prüfung meistern. Die vorwettbewerbliche Gemeinschaftsforschung der FVV leistet einen Beitrag dazu.

Ein Beispiel stellt das Projekt ›Akustik von Wasserstoff-Hubkolbenmotoren‹ dar. Es setzt dort an, wo der Wasserstoffmotor eigentlich einen großen Vorteil hat: Die Stoffumsetzung während der Verbrennung erfolgt sehr schnell. Die Flammenfront bewegt sich um ein Mehrfaches rascher durch den Zylinder als bei kohlenstoffhaltigen Kraftstoffen. So effizient das ist: Für die Akustiker sind die resultierenden hohen Druckgradienten eine Herausforderung.

Um die akustischen Eigenschaften eines Motors bereits in einem frühen Entwicklungsstadium abschätzen zu können, wurden in früheren Vorhaben bereits ausgefeilte Simulationsmodelle erstellt. Dr. Stefan Heuer, in der Entwicklung von MAN Truck & Bus für Akustik und Schwingungen verantwortlich, hatte vor rund 25 Jahren im Rahmen eines FVV-Vorhabens dazu promoviert. Als Projektleiter betreut er nun das Mitte 2022 gestartete neue Vorhaben, mit dem die bestehenden Simulationsmodelle auf die Wasserstoffverbrennung erweitert werden können. »Dafür müssen wir die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung besser verstehen«, erläutert Heuer. »Wir müssen die Stellschrauben für bestimmte akustische Phänomene genau kennen, um die Geräuschabstrahlung zu optimieren.«

Foto: MAN Truck & Bus

Foto: MAN Truck & Bus

Eine Besonderheit des Vorhabens liegt darin, dass die Daten, die die Forschungsstelle an der RWTH Aachen nutzt, gar nicht im Projekt selbst entstehen. Stattdessen greifen die Forscher auf Prüfstandsdaten zurück, die in fünf weiteren Wasserstoff-Projekten der FVV erzeugt werden. »Ansonsten wäre es gar nicht möglich, in nur zwölf Monaten Projektlaufzeit zu validen Ergebnissen zu kommen«, sagt Heuer. Er ist davon überzeugt, dass vernetztes, institutsübergreifendes Forschen in der FVV insbesondere bei der Untersuchung neuer Brennverfahren einen Mehrwert schaffen kann. »So kommen wir mit verhältnismäßig wenig Geld in kürzerer Zeit zum Ziel.«

Wasserstoffmotoren sollen allerdings nicht nur akustisch akzeptable Eigenschaften aufweisen. Sie müssen auch alle aktuellen und künftigen Abgasgrenzwerte einhalten. Während das für kohlenstoffhaltige Schadstoffe relativ einfach ist, stellen die Stickoxide eine größere Herausforderung dar. Gerade die hohen Brennraten und die hohen Spitzentemperaturen führen dazu, dass sich Sauerstoff nicht nur mit dem Wasserstoff, sondern – abhängig vom Luft-Kraftstoffverhältnis – auch mit dem in der angesaugten Umgebungsluft vorhandenen Stickstoff verbindet. Von nichts kommt nichts, daher liegt die Idee nahe, die Umgebungsluft durch ein Trägergas zu substituieren, das an der Verbrennung nicht teilnimmt. Dem Motor werden dann reiner Sauerstoff und Wasserstoff zugeführt, während das Trägergas im Kreis geführt wird – man spricht daher von einem ›Closed-Cycle-Motor‹.

So funktioniert ein Closed-Cycle-Motor

Da ein Closed-Cycle-Motor nicht mit Umgebungsluft arbeitet, gelangt kein Stickstoff in den Brennraum. So beugt er Stickoxidemissionen an der Quelle vor.

In einem Ende 2021 abgeschlossenen FVV-Vorhaben untersuchten Forscher der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg das ›Potenzial eines selbstzündenden Closed-Cycle-Wasserstoffmotors‹. Eine wesentliche Frage, die dafür beantwortet werden musste: Gibt es überhaupt einen Stoff, der sich als Trägergas eignet? Mit Hilfe eines an einem realen Wasserstoffmotor kalibrierten Simulationsmodells wurden drei potenzielle Gase untersucht: Argon, Helium und Neon. In der Kombination aller Eigenschaften war den Forschern bald klar: Argon erfüllt die Anforderungen der Thermodynamiker am besten. Zudem ist das Edelgas auch aus ökologischer Sicht völlig unbedenklich: Mit einem Anteil von fast einem Prozent ist es ohnehin in der Atmosphäre und dritthäufigster Bestandteil in der Atemluft.

Projektleiter Dr. Markus Wenig, Abteilungsleiter des Großmotorenentwicklers WinGD, weist darauf hin: »Nicht zuletzt ist Argon auch die wirtschaftlichste Lösung, weil es sich positiv auf den Gesamt-Wirkungsgrad auswirkt.« Hinzu kommen die Kosten für das Edelgas. Denn auch wenn es an der Verbrennung nicht teilnimmt, muss es doch nach rund 60 Betriebstagen ausgetauscht werden. Ursache ist die allmähliche Verunreinigung mit Kohlendioxid, das aus der Verbrennung von Schmieröl resultiert. In Summe zeigten die auf 20 Jahre angelegten Wirtschaftlichkeitsanalysen der Universität einen zehnprozentigen Kostenvorteil für den Closed-Cycle-Betrieb, weil die Abgasnachbehandlung entfallen kann.

»Für mobile Anwendungen eignet sich das Closed-Cycle-Prinzip eher nicht«, sagt Wenig. »Interessanter sind stationäre Betriebsweisen, etwa zur Stabilisierung von Stromnetzen.« Eine direkte Kopplung mit Elektrolyseuren sei denkbar, denn die stellen nicht nur Wasserstoff aus Grünstrom her, sondern erzeugen auch den Reinsauerstoff als Nebenprodukt. Immerhin rund 53 Prozent beträgt der von den Forschern berechnete Wirkungsgrad für ein solches Energie-Rückgewinnungssystem. »Es lohnt sich auf jeden Fall, das Thema weiter zu verfolgen«, sagt Wenig. »Es ist klasse, dass wir als kleines Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern über die FVV die Möglichkeit haben, solche grundlegenden Themen zu untersuchen.« ||

»Akustik von Wasserstoffhubkolbenmotoren [1457]« FÖRDERUNG: FVV // PROJEKTLEITUNG: Dr. Stefan Heuer (MAN Truck & Bus) // FORSCHUNGSSTELLE: Lehrstuhl für Thermodynamik mobiler Energiewandlungssyteme (tme), RWTH Aachen

»Selbstzündender Closed-Cycle-Wasserstoffmotor [1405]« FÖRDERUNG: FVV // PROJEKTLEITUNG: Dr. Markus Wenig (Winterthur Gas & Diesel) // FORSCHUNGSSTELLE: Institut für Mobile Systeme (IMS-EMA), Otto von Guericke Universität Magdeburg