Keiner schafft es alleine
Seit 2006 vergibt die FVV einen Nachwuchsförderpreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen von Studenten. Die Preisträger Dr. Denise Chan, Dr. Bastian Lehrheuer und Marcus Wiens sprechen über ihre Erfahrung in FVV-Projekten und ihre Ansprüche an Ingenieure und Naturwissenschaftler.
Sie alle haben während Ihres Studiums in FVV-Vorhaben mitgearbeitet. Was konnten Sie in dieser Zeit für ihre spätere Berufstätigkeit mitnehmen?
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Neben den fachlichen Erkenntnissen waren das drei Punkte: Erstens konnte ich einen Einblick in die industrielle Forschung gewinnen, das war sehr wertvoll. Zweitens konnte ich erste Erfahrungen im Projektmanagement gewinnen. Als besonders bereichernd empfand ich die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Im Arbeitskreis musste ich die chemischen Zusammenhänge vielen Maschinenbauern verständlich machen. Ich habe dadurch gelernt, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Kommunikationsebene zu finden. Wenn das einem gelingt, kann man die Expertise aus verschiedenen Fachbereichen vereinen – die beste Voraussetzung um komplexe Probleme zu lösen. Das zieht sich tatsächlich bis heute durch mein ganzes Berufsleben.
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Fachlich bewege ich mich bis heute nicht allzu weit weg von den Fragestellungen, die mich im Studium beschäftigten. Die Methodik, um solche Fragen zu beantworten, habe ich erstmals durch die Studienarbeit in einem FVV-Vorhaben erlernt. Ein Modell zu erstellen und dann im Versuch zu überprüfen, dieses strukturierte Vorgehen ist bis heute hilfreich. Außerdem fand ich es cool, nicht nur einfach eine schriftliche Studienleistung abzugeben, die bewertet wird und dann in einer Schublade verschwindet. Eine Arbeit zu erstellen, auf der andere aufbauen konnten und die in den Abschlussbericht einfloss, empfand ich als sehr motivierend.
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Ich kann das alles nur unterschreiben. Meine Bachelorarbeit im Rahmen des FVV-Projekts war das erste Thema, das ich als Nachwuchswissenschaftler eigenständig bearbeitet habe. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass nicht immer alles auf Anhieb so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Dann etwas Neues auszuprobieren, etwas, was nie zuvor jemand gemacht hat, das reizt mich bis heute an der Wissenschaft. Was ich auch mitgenommen habe: Mein Thema im Bereich der Kraftstoffumsetzung hatte einige chemische Aspekte, die mir damals komplett neu waren. Sich davon nicht abschrecken zu lassen, sondern Experten um Erklärungen zu bitten, das war auch später in meinem Leben immer wieder wichtig.
Wie sehen Sie heute auf die gesellschaftliche Verantwortung von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern?
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Man muss immer das Ganze sehen. Ich forsche heute an der Stromerzeugung aus Windkraft. Doch für die Nutzung dieses Stroms sind noch viele Fragen zu beantworten. Und vermutlich wird es auch nicht nur eine Antwort geben. So könnte es sein, dass wir in Zukunft alle Kleinwagen elektrifizieren, schwerere Fahrzeuge, insbesondere im Warentransport, aber mit Wasserstoff und E-Fuels betreiben. Ich sehe durchaus noch Potenzial für den Verbrennungsmotor.
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Das Wichtigste ist, dass Ingenieure und Naturwissenschaftler neugierig bleiben und immer weiter nach neuen Antworten suchen – und das möglichst interdisziplinär und ergebnisoffen. Wie man das systematisch tut, haben wir in unserem Studium gelernt.
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Das gilt insbesondere für die Transformation zu einer nachhaltigen Welt. Wir haben das Wissen, um gezielt nach neuen Antworten zu suchen, zum Beispiel für die Umstellung auf erneuerbare Energien und effektive Speichertechnologien. Ein anderes Beispiel: Beim chemischen Recycling besteht noch sehr viel Forschungsbedarf, sowohl hinsichtlich der Katalysatoren als auch der Verfahrenstechnik. Letztlich steuern wir auf eine Welt zu, in der Kohlenstoff aus fossilen Quellen nicht mehr zur Verfügung steht.
Was ist aus Ihrer Sicht jenseits der Technik für diese Transformation wichtig?
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Das ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit! Kein Unternehmen und auch keine Branche schafft die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft alleine. Es müssen alle an einem Strang ziehen, weil man die komplette Lieferkette dafür benötigt und den gesamten Lebenszyklus der Produkte betrachten muss. Dafür ist auch die Politik gefragt, sie muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Es gibt da viele gute Ansätze, doch in der Umsetzung hängt es an vielen Punkten. So brauchen beispielsweise Genehmigungen selbst für den Umbau bestehender Anlagen viel zu lang. Planungssicherheit wäre schon sehr hilfreich.
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Die Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die die fundamentalen Probleme adressieren anstatt Technologie-Entscheidungen vorzugeben. Momentan macht es sich die Politik zu einfach. Sie arbeitet mit Verboten, ohne dass diese einen fundierten wissenschaftlichen Hintergrund haben. Wir reden davon, dass das Haus brennt. Und wir haben drei Feuerlöscher, die Elektromobilität, den Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Anstatt alle drei Feuerlöscher einzusetzen, diskutiert die Politik, welchen Feuerlöscher wir nehmen dürfen.
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Auch beim Ausbau der Windenergie ist die Politik in der Verantwortung. Wir haben doch ein ungeheuer großes Ziel. Um das zu erreichen, müssen wir gewaltige Aufgaben lösen. Wenn wir uns stattdessen mit kleinen Problemen aufhalten, ist das nicht zu schaffen. Das soll aber nicht davon ablenken, dass wir als Ingenieure in der Verantwortung stehen, viele neue Dinge anzugehen und Bestehendes immer wieder neu zu hinterfragen.
Was empfehlen Sie mit Ihrer heutigen Erfahrung für die Ausbildung künftiger Wissenschaftler?
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An unserer Universität steht heute die Interdisziplinarität ganz oben auf der Agenda. Es gibt immer mehr Studiengänge, die mehrere Fakultäten durchdringen. Und auch in den FVV-Vorhaben arbeiten immer häufiger verschiedene Fachrichtungen zusammen. Spätestens wenn man nach einer Arbeitskreissitzung gemeinsam beim Bier sitzt, spielt die Fachrichtung keine Rolle mehr.
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Wir achten sehr darauf, dass junge Menschen, die zu uns kommen, nicht nur im stillen Kämmerlein gute Ergebnisse erzielen, sondern auch mit anderen zusammenarbeiten können. Ein großer Wunsch von mir: Dass in technischen Berufsfeldern und in den FVV-Projekten mehr Diversität zu erfahren ist.
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Es ist gut, dass in Deutschland Bachelor- und Masterarbeiten häufig in Industrieunternehmen oder im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung durchgeführt werden. Dadurch ist sichergestellt, dass der wissenschaftliche Nachwuchs an Themen mit Industrierelevanz arbeitet. Das sollten wir keinesfalls aufgeben!
Herzlichen Dank für das Gespräch. //
Dr. Denise Chan studierte Chemie am Karlsruhe Institut für Technologie. Ihre Diplomarbeit verfasste sie im Rahmen eines FVV-Projekts zur Simulation von Abgaskatalysatoren und erhielt dafür 2010 den Nachwuchsförderpreis der FVV. Nach ihrer Promotion – ebenfalls zur Abgaskatalyse – begann Chan ihren Berufsweg 2014 als Laborleiterin bei Covestro (damals: Bayer). Nach einer weiteren Station mit globaler Technologieverantwortung übernahm sie Anfang 2021 ihre heutige Position als Vorstandsassistentin des Chief Technology Officers von Covestro.
Dr. Bastian Lehrheuer studierte Maschinenbau in Aachen. Mit dem Nachwuchsförderpreis wurde 2010 seine Studienarbeit zu einem Echtzeit-Ladungswechselmodell ausgezeichnet, das im Rahmen eines FVV-Vorhabens entstand. Nach dem Ende seines Studiums arbeitete er zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am heutigen Lehrstuhl für Thermodynamik mobiler Energiewandlungssysteme der RWTH Aachen, unter anderem koordinierte er FVV-Vorhaben. 2018 wurde Lehrheuer Oberingenieur und übernahm 2019 die Geschäftsführung des Exzellenzclusters ›The Fuel Science Center‹. 2022 hat er erfolgreich an seiner ›Alma Mater‹ promoviert.
Marcus Wiens studierte zunächst Maschinenbau an der RWTH Aachen und erstellte seine mit dem Nachwuchsförderpreis ausgezeichnete Bachelorarbeit zur Modellierung der Umsetzung von Ottokraftstoffen im Rahmen eines FVVProjekts. Für das Masterstudium wechselte er zur Energietechnik, das er mit einer Arbeit zur Regelung von Windkraftturbinen beendete. Seit 2019 ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme tätig, wo er sich vor allem mit Fragen der Simulation beschäftigt.