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Prof. Dr. Thomas Koch erläutert, was Nachwuchsingenieure heute lernen sollten. 23.03.2023

Wissen wird an Schnittstellen generiert

Die Ausbildung von Spezialisten für effiziente Kraftmaschinen und Motoren im Zusammenspiel mit klimaneutralen Energieträgern bleibt wichtig. Prof. Dr. Thomas Koch, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik, erläutert, was Nachwuchsingenieure heute lernen sollten.

InterviewJohannes Winterhagen

Herr Professor Koch, warum sollte sich ein junger Mensch heute für ein Maschinenbau-Studium mit Schwerpunkt ›Verbrennungskraftmaschine‹ entscheiden?

Motoren treiben unzählige Maschinen an, von der handgeführten Motorsäge über Arbeitsmaschinen in der Landwirtschaft bis hin zu Schiffen. In vielen Anwendungen ist der Verbrennungsmotor in den kommenden Jahrzehnten nicht ansatzweise zu substituieren. Hinzu kommt: Auch im Automobil hat der Verbrennungsmotor in vielen Weltregionen und eventuell auch in Europa Zukunft.

Junge Menschen wollen in der Regel die Welt verbessern. Können sie das mit einer wissenschaftlichen Ausbildung als Spezialisten für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik?

Egal ob es um Elektroantriebe, Brennstoffzellen oder Verbrennungskraftmaschinen geht: Es bleibt viel zu tun, etwa hinsichtlich der Rohstoffe, der Kosten oder der Nachhaltigkeitsbilanz. Zugleich müssen wir darauf achten, dass wir die Lösungen hierzulande produzieren können, um hier auch Wohlstand zu erwirtschaften.

Etwas konkreter bitte: Worin liegen künftig die spannendsten Aufgaben für Forschung und Entwicklung?

Zunächst einmal sind die neuen Aufgaben die gleichen wie schon vor 30 Jahren: Den Wirkungsgrad zu verbessern und so den Energiebedarf zu senken, bleibt eine wichtige Ingenieursaufgabe. Das gilt auch dafür, die Haltbarkeit und damit die Nachhaltigkeit von Maschinen weiter zu steigern. Hinzu kommt als neue Aufgabe der Betrieb mit CO2-neutralen Kraftstoffen. Der konventionelle Hubkolbenmotor ist zudem in der Regel Teil eines Hybridantriebs, was neue regelungstechnische Fragen aufwirft.

Wie viel Wissen existiert zum Zusammenspiel zwischen Hubkolbenmotor und regenerativ erzeugten Kraftstoffen bereits?

Die große Herausforderung besteht darin, dass wir die Entwicklung von Energieträger und Energiewandler besser verzahnen müssen, als dies in der Vergangenheit gelungen ist. Schließlich sind die Investitionskosten für die Anlagen zur Kraftstoffproduktion sehr hoch. Wir müssen ein Gesamtoptimum erreichen, was nicht möglich ist, wenn wir nur den Motor oder den Hybridantrieb alleine betrachten. Aktuell kann noch niemand beantworten, ob ein ganzeinheitliches Optimum am Ende im Wasserstoff, im Methanol oder einem anderen Kohlenwasserstoff liegt.

Parallel scheint mir die Methodenentwicklung einen großen Sprung zu machen.

In den letzten 15 Jahren ging es vor allem um eine Optimierung im n-dimensionalen Raum, also die Suche nach dem Optimum bei gleichzeitiger Variation von Einspritzzeitpunkt, Abgasrückführrate, Ladedruck oder Adblue-Dosierung, für die das ›Design of Experiments‹ beständig weiterentwickelt wurde. Noch brauchen wir aber viel zu lange, um von einer ersten Applikationslösung zu einem fahrfähigen Prototypen zu kommen. Deshalb spielen neue Methoden, etwa Verfahren der Künstlichen Intelligenz, für die Motorenentwicklung eine immer wichtigere Rolle.

Wie verändert sich die Lehre durch die zunehmende Elektrifizierung auch verbrennungsmotorischer Antriebe?

Wir müssen alles aufnehmen, aber auch den Mut haben, an der richtigen Stelle an benachbarte Institute abzugeben, die sich beispielsweise mit Akkus oder Brennstoffzellen beschäftigen. Die Lehre muss sich aber auch besser verzahnen. So halte ich beispielsweise die Vorlesung zu Hybridantrieben gemeinsam mit einem Leiter des Elektrotechnischen Instituts an meiner Universität. Der Schulterschluss ist wichtig, denn Wissen wird an Schnittstellen generiert.

Welche Rolle spielt dabei die Industrielle Gemeinschaftsforschung?

Auch wenn die Beantragung teilweise etwas mühsam und bürokratisch geworden ist, halte ich die Industrielle Gemeinschaftsforschung, wie die FVV sie organisiert, für extrem wertvoll. Sie hat in der Vergangenheit die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand, und den Umweltschutz deutlich gestärkt. Ein Beispiel ist die Forschung rund um die Abgasreinigung. Ich sehe keinen Grund, warum ein so erfolgreiches Instrument künftig weniger ertragreich sein sollte – zumal die Arbeit in den FVV-Vorhaben Nachwuchsingenieure gut auf ihre spätere Tätigkeit in der Industrie vorbereitet.

Wie sehen aktuell die Jobperspektiven für Nachwuchsingenieure aus?

Die Pandemie hatte zunächst eine ordentliche Schneise in den Personalmarkt geschlagen, aber aktuell spüren unsere Absolventinnen und Absolventen wieder eine verstärkte Nachfrage, auch aus der Automobilindustrie.

Herr Professor Koch, herzlichen Dank für das Gespräch. //

Prof. Dr.  sc. techn. Thomas Koch leitet seit 2013 das Institut für Kolbenmaschinen (IFKM) am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Vor seiner Berufung arbeitete der an der ETH Zürich promovierte Maschinenbauer zehn Jahre in der Motorenentwicklung der Daimler AG. Zu seinen zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten gehört das Engagement in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorenkunde (WKM).